Was bedeutet EN-AW bei Aluminiumplatten? – Normen und Bezeichnungen erklärt
Aluminiumplatten tragen häufig die Bezeichnung EN-AW, gefolgt von einer vierstelligen Zahl wie z. B. EN-AW 5754 oder EN-AW 6082. Diese Kombination aus Buchstaben und Zahlen ist mehr als eine einfache Materialkennung – sie verweist auf das europäische Normsystem für Aluminiumwerkstoffe und liefert wichtige Informationen zur Legierung, Verarbeitung und Einsatzmöglichkeit des Materials.
Was bedeutet EN-AW genau?
EN-AW steht für „Europäische Norm – Aluminium Wrought Alloy“. Der Begriff „wrought alloy“ bezieht sich auf Knetlegierungen, also Aluminiumwerkstoffe, die durch mechanische Verfahren wie Walzen, Pressen oder Schmieden verarbeitet wurden. Die Bezeichnung ist damit nicht nur eine formale Kennung, sondern ein strukturierter Hinweis auf die Art und Herkunft des Materials.
In Europa ist die Bezeichnung Teil der Norm EN 573, die die chemische Zusammensetzung und die Systematik der Legierungsbezeichnungen festlegt. Ziel dieser Normung ist es, Aluminiumlegierungen eindeutig zu definieren und grenzüberschreitend vergleichbar zu machen – ein entscheidender Vorteil für Beschaffung, Konstruktion und Qualitätssicherung im industriellen Umfeld.
Die Struktur der Bezeichnung ist folgendermaßen aufgebaut:
EN: Europäische Norm
AW: Aluminium Wrought (Knetlegierung)
XXXX: Vierstellige Legierungsnummer
Beispiel: EN-AW 5754 bezeichnet eine walzbare Aluminiumlegierung mit Magnesium als Hauptlegierungselement. Solche Codes sind essenziell für eine klare Kommunikation zwischen Konstrukteuren, Lieferanten und Verarbeitern.
Welche Normen stehen hinter EN-AW?
EN 573 – Chemische Zusammensetzung und Bezeichnung
Diese Norm legt die systematische Benennung und die zulässige chemische Zusammensetzung von Aluminium- und Aluminiumlegierungen fest. Sie ist die Grundlage für alle weiteren Normen, da sie beschreibt, welche Legierungselemente in welchen Mengen vorkommen dürfen und wie die Legierung zu kennzeichnen ist.
EN 485 – Mechanische Eigenschaften von Blechen, Bändern und Platten
Die Norm EN 485 spezifiziert die mechanischen Eigenschaften wie Zugfestigkeit, Dehnung und Härte für Aluminiumprodukte in flacher Form. Sie ist besonders wichtig für Konstrukteure, die auf zuverlässige Materialwerte bei der Berechnung und Dimensionierung angewiesen sind.
EN 515 – Zustandsbezeichnungen
Diese Norm beschreibt die verschiedenen Lieferzustände von Aluminium, z. B. weichgeglüht (O), kaltverfestigt (H) oder wärmebehandelt (T). Sie hilft dabei, die mechanischen Eigenschaften gezielt an die jeweilige Anwendung anzupassen.
EN 755 – Aluminium-Profile
EN 755 definiert die Anforderungen für stranggepresste Aluminiumprofile. Neben geometrischen Toleranzen regelt sie auch mechanische Eigenschaften und Prüfmethoden. Die Norm ist essenziell für die Profilverarbeitung im Bauwesen oder Maschinenbau.
EN 1706 – Gusslegierungen
Diese Norm gilt für Aluminium-Gusslegierungen. Statt EN-AW wird hier die Bezeichnung EN AC verwendet. Sie regelt chemische Zusammensetzung, mechanische Eigenschaften und Gießbarkeit der Werkstoffe.
Diese Normen sorgen dafür, dass Aluminiumprodukte europaweit einheitlich klassifiziert und spezifiziert werden.
Unterscheidung: Knetlegierung (EN-AW) vs. Gusslegierung (EN-AC)
Ein häufiger Irrtum besteht in der Verwechslung von Knet- und Gusslegierungen:
EN-AW: für Knetlegierungen, mechanisch verformbar, z. B. Platten, Bleche, Profile
EN-AC: für Gusslegierungen, in Formen gegossen, nicht verformbar
Beide Legierungstypen unterscheiden sich deutlich in ihren Eigenschaften und Anwendungsbereichen.
Gängige EN-AW-Legierungen und ihre Eigenschaften
Hier ein Überblick über typische Aluminiumlegierungen mit EN-AW-Kennung:
EN-AW Nummer | Werkstoffnummer | Hauptlegierungselement | Eigenschaften | Typische Anwendungen |
---|---|---|---|---|
1050 | 3.0255 | Reinaluminium | weich, gut korrosionsbeständig | chemische Industrie, Reflektoren |
5754 | 3.3535 | Magnesium | seewasserbeständig, mittelfest | Fahrzeugbau, Schiffbau |
6082 | 3.2315 | Magnesium, Silizium | hohe Festigkeit, gut zerspanbar | Maschinenbau, Strukturbauteile |
7075 | 3.4365 | Zink | sehr hohe Festigkeit, geringere Korrosionsbeständigkeit | Luftfahrt, Hochleistungsbauteile |
Diese Tabelle zeigt die große Bandbreite an Eigenschaften, die durch gezielte Legierungswahl erreicht werden kann.
Was bedeuten Zusätze wie T6 oder H111?
Neben der Legierungsnummer wie EN-AW 5754 oder EN-AW 6082 geben Zusätze wie T6 oder H111 den sogenannten Lieferzustand an. Diese Hinweise sind entscheidend für die mechanischen Eigenschaften der Aluminiumplatte und beziehen sich auf deren thermische oder mechanische Behandlung vor der Auslieferung.
Der Zusatz T6 bedeutet, dass das Material lösungsgeglüht und anschließend künstlich ausgehärtet wurde. Das Ergebnis ist eine sehr hohe Festigkeit, was T6 besonders für Anwendungen mit hohen mechanischen Anforderungen attraktiv macht – etwa im Maschinenbau oder bei tragenden Konstruktionen.
H111 hingegen beschreibt einen leicht kaltverfestigten Zustand. Dabei wird das Material nach dem Walzprozess nur minimal weiterverformt, was seine Formstabilität erhöht, ohne es spröde zu machen. H111 wird häufig in Anwendungen eingesetzt, bei denen gute Umformbarkeit bei gleichzeitig erhöhter Festigkeit gewünscht ist, etwa im Fahrzeugbau.
Der Zustand O steht für weichgeglüht. Hierbei wird das Material gezielt erhitzt, um Spannungen abzubauen und maximale Umformbarkeit zu erzielen. Weichgeglühte Bleche lassen sich besonders gut kanten, biegen oder tiefziehen – etwa bei der Herstellung komplexer Geometrien oder Behälter.
Diese Zusätze sind Teil der Norm EN 515 und helfen dabei, das Material optimal an den späteren Einsatz anzupassen. Zusätzlich zur EN-AW-Bezeichnung findet sich oft ein Zustandshinweis, der die thermische oder mechanische Behandlung beschreibt:
T6: Lösungsgeglüht und ausgehärtet – hohe Festigkeit
H111: leicht kaltverfestigt – verbessert die Formstabilität
O: weichgeglüht
Diese Zustände beeinflussen mechanische Eigenschaften wie Zugfestigkeit, Biegefestigkeit und Umformbarkeit.
Warum ist die EN-AW-Bezeichnung für die Praxis wichtig?
Die eindeutige Kennzeichnung durch EN-AW bietet mehrere Vorteile:
Verwechslungsfreie Bestellung im Einkauf und Lager
Rechtssichere Spezifikation im Maschinenbau oder in Zeichnungen
Nachvollziehbarkeit von Eigenschaften bei der Auswahl passender Materialien
Kompatibilität mit internationalen Standards, z. B. DIN, ISO, ASTM
Für Konstrukteure, Einkäufer und Verarbeiter bedeutet das mehr Sicherheit und Planungstreue im Projekt.
Fazit: EN-AW macht Aluminium klar identifizierbar
Die Bezeichnung EN-AW ist mehr als ein technisches Kürzel. Sie liefert strukturierte Informationen zu Legierung, Verarbeitung und Normkonformität. Wer Aluminiumplatten auswählt, bearbeitet oder spezifiziert, kommt an diesem System nicht vorbei – und profitiert von der Normung durch einheitliche Qualitätsstandards und Materialtransparenz.